Es klopfte, ich öffnete meine Tür, und Herr Schroth trat ein. Ich begrüßte ihn.
»Warten Sie, ich helfe Ihnen aus dem Mantel«, sagte ich. »Aber nicht doch, nicht einfach an den Haken. Ich hänge ihn über einen Bügel.«
Herr Schroth kam ungelegen, ich wollte mich daran machen, die vielen Wesen, die während der Nacht erschienen waren, zu töten. Ich hoffte, daß er bald wieder gehen würde.
»Kann ich Ihnen etwas anbieten?« fragte ich dennoch sehr freundlich. »Einen Kaffee?«
Herr Schroth lehnte ab. Er wolle sich nur ein Bild vom Zustand meiner Wohnung machen. Ich hatte geglaubt, er komme, um die letzte Mieterhöhung zu rechtfertigen. Wie alle anderen Be­ wohner des Hauses hatte ich meinen Namen, Georg Heppler, unter einen Protestbrief gesetzt.
Ich führte Herrn Schroth ins Wohnzimmer. Obwohl heute ein kalter, bewölkter Tag war und kein Sonnenschein durch das Fenster drang, war meine Bleibe schier unerträglich warm. Bis gestern hatte das Auge Gottes die Mauern des Hauses aufgeheizt; nur der Ventilator, der sich an der Decke drehte und das trübe Licht der Lampe flimmern ließ, brachte mir ein wenig Erleichterung.
»Keinen Kaffee. Dann vielleicht einen Zitronenlikör für die Gesundheit?« fragte ich und schielte nach den Ungeheuern, die sich im Muster der Blumentapete versteckten. In der Nacht hatte ich, um schlafen zu können, das Fenster offen gelassen. […]
Die grauen Motten wärmten ihren Bauch an den Wänden.
Herr Schroth trat zu mir ans Fenster und hielt seine Hand unter den Rahmen. Sie war rosig, mit kurzen, schwarzen Haaren bewachsen und mit einem goldenen Ring geschmückt. Das Fenster sei dicht, stellte Schroth fest. Dann machte er sich daran, den Gasofen zu entzünden.
Ich sah zum Fenster hinaus und beobachtete die Gestalten, die immerzu hinter den Häusern hervorsprangen, und die riesigen Augen einer alten, lauernden Frau, die, von einer Gardine kaum verborgen und vor Neugier glänzend, auf die Straße hinabspähten. Auf der gegenüberliegenden Seite trat der Lebensmittelhändler Knef klein und zerbrechlich aus seinem Geschäft. Er trug eine Schürze und ein weißes Hemd, dessen Kragen geöffnet war. Die Ärmel hatte er hochgekrempelt, und er legte sich schnell die Hand auf die Brust, in der, wie ich erfahren hatte, sein Herz ungesunde Sprünge vollführte. Erschreckt beugte er sich vor und schien zu taumeln; dann aber richtete er sich wieder auf und lächelte wie unbesorgt, denn sein Töchterchen kam von der Schule zurück, weit früher als sonst, und schlenderte die Straße entlang. Als Geta ihn erreicht hatte, fuhr er ihr verlegen über das Haar und kratzte sich am Kopf; doch kaum war das Kind, dessen Gesicht wie aus Mondstein geschnitzt war, im Laden verschwunden, von dem eine Treppe zur Wohnung der Knefs emporführte, so kehrte der ängstliche Ausdruck in die Züge des Händlers zurück […].
In den leisen Drehungen des Ventilators waren Stimmen zu hören, sie riefen durcheinander; und die Falten in Herrn Knefs grüner Schürze bildeten Gesichter, aus deren listigem Blick ich auf ihr heimliches Einverständnis mit der Gattin des Händlers schloß, in die eben jetzt Knefs Gehilfe mit einem einzigen Stoß eingedrungen war.